Strategien für KMU entwickeln
Erfolgreiche Strategieentwicklung in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) war Thema der dritten Blockwoche im Juni 2023. Mit dem Thema «Strategisches Management» führe ich meine Mini-Serie zu den Erfahrungen und Inhalten aus dem Intensivstudium KMU an der renommierten Universität St. Gallen (HSG) fort.
Die Fähigkeit zur erfolgreichen Strategieentwicklung ist von entscheidender Bedeutung für jedes Unternehmen, in besonderem Masse auch für KMU, die oft mit begrenzten Ressourcen arbeiten. In diesem Beitrag werde ich Ihnen unter anderem sieben Schritte zur Strategieentwicklung in KMU näher beleuchten, welche uns von Urs Frey als Hauptdozent für die dritte Blockwoche, Lehrbeauftragter für Betriebswirtschaftslehre und Geschäftsführer der 7Impact AG, präsentiert wurden.
Jenseits dieser theoretischen Grundlage erhielten wir die Gelegenheit, Einblicke in die Strategieentwicklung von zwei Unternehmern zu gewinnen. Zudem hatten wir während der gesamten Woche die Möglichkeit, konkrete Elemente der nachfolgend vorgestellten Strategieentwicklungsmethode in Gruppenarbeiten anhand eines Live Case zu vertiefen. Gegen Ende der Woche betrachteten wir zwei weitere Werkzeuge, namentlich den «Business Model Canvas» und die «Blue Ocean Strategie», ihre Vorstellung folgt am Ende des Beitrags.
Die 7 Schritte zur Strategieentwicklung
Eine Strategie beschreibt Zweck, Mittel und Wege, wie eine Organisation ihre Ziele erreichen will. Dies setzt ein gemeinsames Verständnis aller Mitarbeiter:innen, insbesondere aller Entwickler:innen der Strategie voraus, und kann gemäss dem Grundsatz «Sammeln, Zusammenfassen, Verdichten» schrittweise über einen geeigneten Zeitraum hinweg in Workshops erarbeitet und diskutiert werden. Schliesslich werden die Unternehmensziele auf wenigen Seiten verschriftlicht und in geeignete und konkrete Massnahmen heruntergebrochen.
Die folgenden sieben Schritte wurden uns als Leitfaden vorgestellt. Sie sind nicht als starre Vorlage zu verstehen, die für alle KMU gleichermassen gilt.
1. Unternehmensanalyse: Stärken und Schwächen
Der erste Meilenstein auf dem Weg zur erfolgreichen Strategieentwicklung ist eine gründliche Unternehmensanalyse. Hierbei werden die internen Stärken und Schwächen des Unternehmens analysiert. Es gilt, die eigenen Kernkompetenzen zu identifizieren und zu verstehen, in welchen Bereichen das Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil hat. Durch diese Analyse wird eine solide Basis geschaffen, um die strategischen Ziele des Unternehmens festzulegen. Die Analyse erwächst aus einer ehrlichen Reflexion der Vergangenheit und ist das Ergebnis von Prozessen innerhalb der Organisation, welche von den Ressourcen des Unternehmens geprägt sind.
2. Umweltanalyse: Chancen und Gefahren
Eine sorgfältige Umweltanalyse ist von grosser Bedeutung, um verborgene Chancen und potenzielle Gefahren im Marktumfeld zu identifizieren. Hierbei werden externe Faktoren wie politische, wirtschaftliche, soziale und technologische Einflüsse untersucht, zum Beispiel anhand der PESTEL-Analyse. Es gilt, Trends und Veränderungen in der Branche frühzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren. Die Umweltanalyse ermöglicht es dem Unternehmen, sich auf zukünftige Entwicklungen einzustellen und neue Chancen zu nutzen.
3. Konkurrenz und Wettbewerbsanalyse
Eine detaillierte Analyse der Konkurrenz und des Wettbewerbsumfeldes ist unerlässlich, um die Positionierung des eigenen Unternehmens zu verstehen. Hierbei werden die Strategien sowie Stärken und Schwächen der Wettbewerber untersucht. Ziel ist es, sich von der Konkurrenz abzuheben und Alleinstellungsmerkmale zu identifizieren. Eine fundierte Kenntnis des Wettbewerbs ermöglicht es dem Unternehmen, seine strategische Ausrichtung gezielt anzupassen. Diese Analyse könnte beliebig durch andere Analysen erweitert werden, wie die Branchenstruktur-, Trend-, Szenario-, Sortiments- oder Dienstleistungsnalysen.
4. Die Tows-Matrix (strategische Stossrichtungen)
Die Tows-Matrix ist ein mächtiges Instrument zur Entwicklung strategischer Stossrichtungen. Hierbei werden die Ergebnisse der Unternehmens- und Umweltanalyse verknüpft. Strategische Optionen werden enthüllt, indem man Stärken und Chancen miteinander verknüpft und erfolgsversprechende Stossrichtungen ableitet. Ebenso können Schwächen und Gefahren in Betracht gezogen werden, um Risiken zu minimieren und Herausforderungen zu bewältigen. Die strategischen Stossrichtungen werden geordnet, priorisiert und in die Segmente "Markt und Kunden", "Produkte und Dienstleistungen" sowie "Unternehmen" unterteilt. Die Verteilung über diese Kategorien lässt einen Schluss zu, ob allenfalls der Markt oder auch interne Prozesse vernachlässigt wurden.
5. Vision, zentrale Werte und Führungsleitsätze
Die Gestaltung einer klaren Vision, zentraler Werte und Führungsleitsätze bilden das Herzstück der strategischen Ausrichtung des Unternehmens. Während die Vision das langfristige Ziel skizziert und den Weg weist, fokussieren sich zentrale Werte und Führungsleitsätze auf Verhalten und Entscheidungsfindung innerhalb des Unternehmens. Diese Kombination schafft Einheitlichkeit und stärkt die Unternehmenskultur. Die Mission konzentriert sich auf das "Wie", während die Vision das "Warum" beleuchtet – das übergeordnete Zukunftsziel.
6. Strategische Erfolgspositionen
Im sechsten Schritt geht es darum, die Nutzenpotenziale des Unternehmens zu erkennen und darauf aufbauend strategische Erfolgspositionen (auch Kernkompetenz, kooperative Konkurrenzvorteile, strategische Wettbewerbsvorteile) zu entwickeln. Hierbei werden die spezifischen Wettbewerbsvorteile und Alleinstellungsmerkmale des Unternehmens identifiziert. Es gilt, den Mehrwert zu definieren, den das Unternehmen für seine Kunden schafft, und diese Positionierung klar zu kommunizieren. Eine strategische Erfolgsposition sollte, 6 Kriterien erfüllen:
- Es sollte eine spezifische Fähigkeit sein, um sich von der Konkurrenz differenzieren zu können.
- Gleichzeitig ist sie einzigartig,
- schwer nachahmbar und
- realisierbar.
- Sie soll einen hohen Kundennutzen bieten und
- Zu einem positiven Cash-Flow im Unternehmen beitragen.
7. Strategische Geschäftsfelder
Der letzte Schritt besteht darin, die strategischen Geschäftsfelder des Unternehmens zu positionieren. Hierbei werden die verschiedenen Geschäftsbereiche und ihre Beziehungen zueinander analysiert. Das Ziel ist es, Ressourcen und Kompetenzen des Unternehmens optimal auf die einzelnen Geschäftsfelder auszurichten. Eine klare Positionierung unterstützt die effektive Umsetzung der gesamten Strategie.
Im Anschluss an den strukturierten Entwicklungsprozess wird die Strategie und somit die Inhalte der Workshops auf wenigen Seiten dargestellt. Das Ergebnis soll auf einige Sätze komprimiert die langfristige Grundausrichtung und das Tätigkeitsgebiet des Unternehmens erläutern (Vision und Mission), zentrale Werte und Aussagen für die Anspruchsgruppen definieren. Schliesslich in einigen Sätzen die strategischen Erfolgspositionen und somit die Profilierung gegenüber der Konkurrenz ausführen. Als Kontrast zur Innensicht folgen die strategischen Stossrichtungen. Im Anschluss strategische Geschäftsfelder festlegen: Ob diese neu aufgebaut, gestärkt, gehalten oder abgebaut werden sollen. Schliesslich enthält die formulierte Strategie einen Projektmassnahmenplan, der die Umsetzung in strategische Ziele, Etappenziele und konkrete Massnahmen im KMU-Alltag für Mitarbeiter:innen herunterbricht.
Einblicke in den Strategieerarbeitungsprozess
Ein Blick hinter die Kulissen des Strategieerarbeitungsprozesses in KMU erhielten wir im Gespräch mit Markus Fust, Gründer, Inhaber und Geschäftsleiter der Fust Schreinerei. Im Rahmen seiner Ausführungen skizzierte er den Weg, welches sein Unternehmen von einem Ein-Mann-Betrieb über kontinuierliche Sortimentserweiterungen hin zu einer Online-Schreinerei genommen hat, die heute massgeschneiderte Möbel in beeindruckender Qualität herstellt. Diesen Erfolg hatte er dank einer guten Strategie, welche auch die Grundlage für das weitere Wachstum in naher Zukunft bildet.
Einen weiteren Input erhielten wir im Vortrag von David Ganz. Er ist Verwaltungsratspräsident der Ganz Gruppe und präsentierte Teile aus der Entwicklung der aktuellen Digitalisierungsstrategie des Familienunternehmens, das bereits in der vierten Generation besteht und im Handel sowie in der Verlegung von Bodenbelägen tätig ist. Als Teil der Strategie diskutierten wir die Fusion der drei Handelsfirmen innerhalb der Gruppe mit dem Ziel Synergien und Ressourcen gezielter zu setzen und schliesslich den neuen Marktauftritt im Jubiläumsjahr 2023 auf www.plaettli-ganz.ch.
Der inspirierende Live Case bei Zeintra
Ein Highlight der Blockwoche war zweifelsohne die inspirierende Gruppenarbeit im Live Case «Zeintra». Als Teilnehmer hatten wir die Möglichkeit, anhand des Unternehmens Zeintra, das technische Standard- und Individualbürsten herstellt, die zuvor erlernten Strategiekonzepte praktisch anzuwenden. Wir erarbeiteten im Team Stossrichtungen, strategische Erfolgspositionen, einen KMU Canvas, sowie Ansätze für die Blue Ocean Strategie. Wir konnten auf die Expertise von Salome Zeintl zählen, welche ebenfalls Kursteilnehmerin ist und dank 8 Jahren in (leitenden) Positionen bei der Zeintra das Unternehmen in allen Facetten kennt. Bei der Erarbeitung in einem durch und durch humorvollen Team war es erstaunlich zu sehen, wie Kreativität und Spass dabei halfen, innert kürzester Zeit innovative Ideen zu generieren und die strategische Ausrichtung des Unternehmens in verschiedenen Ansätzen voranzutreiben.
Weitere Arten zur Strategieentwicklung
Business Model Canvas
Das Business Model Canvas ist ein strategisches Tool, das in einem kleinen Team in wenigen Stunden bereits gute Resultate liefert. Es ermöglicht KMU, ihre Geschäftsstrategie oder auch ein Geschäftsmodell auf eine kompakte Art visuell darzustellen und zu planen: Es beantwortet Fragen zum Nutzenversprechen an die Kunden (Angebot), relevanten Kundensegmenten, der Leistungserstellung (insbesondere auch Fragen zu Ressourcen und Fähigkeiten) und wie aus diesem Zusammenspiel beabsichtigt wird Geld zu verdienen. Als Framework unterstützt es Geschäftsmodelle zu analysieren, Chancen zu identifizieren und klare Handlungspläne zu entwickeln, um im Wettbewerb erfolgreich zu bestehen. Einige Kursteilnehmer:innen berichteten, dass sie diesen Cavas bereits für Produktentwicklungen oder in Innovationsprozessen in ihren Unternehmen erfolgreich benutzt haben.
Blue Ocean Strategie
Die Blue Ocean Strategie ist ein Konzept aus dem Bereich des strategischen Managements, das darauf abzielt, in unerschlossenen Marktsegmenten oder Nischen neue, innovative Märkte zu schaffen und so die Konkurrenz zu umgehen. Ein herausragendes Beispiel für die erfolgreiche Anwendung dieser Strategie lernten wir mit dem «Cirque du Soleil» kennen. Statt in den gesättigten traditionellen Zirkusmarkt einzutreten, schuf der Cirque du Soleil eine Nische für anspruchsvolle Shows mit akrobatischen Darbietungen und visuellen Effekten. Durch den Verzicht auf Tiere im Gegensatz zu herkömmlichen Zirkussen vermied der Cirque du Soleil ethische Bedenken. Diese kreative Abkehr von Konventionen führte zu neuem Erfolg und verdeutlicht die Umsetzung einer erfolgreichen Blue Ocean Strategie.
Gaudi auf der Waldegg
Selbst nach nur vier Wochen kann man bereits von einer Tradition sprechen – jeweils am Mittwochabend versammeln wir uns zu einem einzigartigen Teambuilding Event. Dabei stärken wir nicht nur unsere Bindung untereinander, sondern auch bisher wenig geübte Fähigkeiten im Waldegg-Gaudi. Hier haben wir auf einer Trainingsalp die Gelegenheit, uns als künftige Älpler:in zu beweisen und den Herausforderungen des traditionellen Alplebens standzuhalten. Nach diesem Erlebnis kehrten wir ins gemütliche Restaurant Schnuggebock ein, um uns mit herzhaften Köstlichkeiten zu verwöhnen. Doch das Highlight des Abends ist zweifellos das traditionelle Dessert: eine verlockende «Schlorziflade».
Fazit: Die Blockwoche zum strategischen Management und insbesondere der Live Case, in meinem Fall die Gruppenarbeit mit Zeintra, waren eine aussergewöhnliche Erfahrung für uns als Teilnehmer:innen. Die Kombination aus theoretischem Wissen und praktischer Anwendung hat uns gezeigt, wie wertvoll eine fundierte Strategieentwicklung für KMU ist. Mit den erlernten Konzepten, Werkzeugen und der inspirierenden Erfahrung bei Zeintra sind wir nun besser gerüstet, um unsere eigenen Unternehmen strategisch erfolgreich zu führen.
Ein herzliches Dankeschön gilt den Organisator:innen dieser Intensivwochen, die Begleitung während der Woche, den Dozenten, Gastreferenten, sowie meinen Studienkolleg:innen für die guten Gespräche und wertvollen Inputs.
Hoffentlich hat dieser Blogbeitrag interessante Einblicke in die erfolgreiche Strategieentwicklung in KMU gegeben und hat Sie inspiriert, sich über die Strategie Ihres Unternehmens zu befassen. Lassen Sie sich von der Kreativität und dem Spass inspirieren, die bei der Entwicklung einer Strategie eine wichtige Rolle spielen können. Wer weiss, vielleicht planen Sie schon bald Ihre digitale Strategie in einem ganzheitlichen Ansatz mit Ventoo zu erarbeiten?